Kongobrief im Spätherbst 2021

Ende Oktober 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,liebe Freundin, lieber Freund unserer Überlebenshilfe im Kongo!

Meine kongolesischen Freunde staunen immer, wenn ich von unseren europäischen Jahreszeiten berichte. Die meisten von ihnen können sich den Wechsel von Frühling – Sommer – Herbst und vor allem Winter nicht vorstellen. Die Menschen in den Tropen leben im „ewigen Sommer“. Die Temperaturen sind immer im Bereich von 30 Grad…

Ein Blick in den „ewigen Sommer“

Ist das nicht wunderbar? - Überhaupt nicht, denn dadurch gedeihen die Moskitos „wunderbar“, welche die größte Plage Afrikas verbreiten: Malaria. Fast alle Afrikaner sind infiziert und bekommen immer wieder Schübe dieser Krankheit, die glücklicherweise mit Medikamenten zu behandeln und dann in wenigen Tagen wieder verschwunden ist – ohne Medikamente ist sie tödlich. Aber auch diese Medikamente kosten Geld und eine Krankheit drückt die Menschen noch mehr in die Armut. Krankenversicherungen sind kaum verbreitet.

Bei diesem „ewigen Sommer“ hatte der tropische Mensch keine Notwendigkeit Vorräte (für einen Winter) anzulegen - in der feuchten Hitze faulen die Lebensmittelvorräte sowieso sehr schnell. Dementsprechend ist die Mentalität der Menschen: Speichern und Sparen ist zunächst einmal unbekannt und fremd. Kein Haus hat einen Speicher oder einen Keller! Das Jahr ist gegliedert in „Regenzeit“ und „Trockenzeit“ – und dort, wo noch viel Regenwald steht, ist jeder Tag so gegliedert: Morgens steigt der Nebel auf, bildet die Wolken, die am frühen Nachmittag für eine Stunde sich abregnen – und was für ein Starkregen! - danach scheint wieder die Sonne. Doch in der Savanne und in Gebieten mit wenig Wald beginnt südlich des Äquators die Regenzeit im September und endet im April. Im Januar und Februar ist nochmal eine kurze Trockenzeit und dann von Mai bis August die längere Trockenzeit. (Nördlich des Äquators umgekehrt)

Was in Afrika „exotisch“ ist

Alles, was aus der nördlichen, europäischen Welt kommt, ist für Kongolesen „exotisch“ und manches davon hat für die Mentalität keine „Nachhaltigkeit“, zumal die asiatischen Billig-Wegwerfprodukte aus Plastic den Markt erobert haben: Das „Warten“, also das Reparieren von Geräten beispielsweise war für den europäischen Bauern die Tätigkeit in der Zeit des „Wartens“ auf den Frühling. Alle Technik kommt aus dem industrialisierten Norden und vieles davon ist heute auch noch für die „Wegwerfgesellschaft“ produziert, sodass nachhaltige Produkte, die repariert werden können, kaum noch in Afrika ankommen. Was auf diesem Niveau überall noch funktioniert ist die Reparatur der mechanischen Autos. Heute kann fast in jedem Dorf ein mechanischer Toyota repariert werden (Toyota baut als einzige Autofirma noch mechanische Jeeps!). Der Sprung zu den mit Elektronik vollbepackten Fahrzeugen ist für die riesigen Gebiete des Kongos mit den oft ganz schlechten Straßen nutzlos, denn elektronische Jeeps dürfen weit draußen auf dem Land keine Pannen bekommen, weit und breit könnten sie nicht repariert werden. So werden die "Sports Utility Vehicles"/SUV für die elegante Welt des Nordens gebaut.

Grenzen der „Entwicklungshilfe“

Weshalb diese Vorrede? Das, was an „Entwicklungshilfe“ geleistet wird, ist meist die Vermittlung von oft durchaus nützlichen Kulturtechniken des Nordens, aus der Winter-Sommer-Welt. Und wenn „Entwicklungs­hilfe“ häufig nichtfunktioniert und nicht hilft, so deshalb, weil die beschriebene afrikanische Mentalität von den „Entwicklungshelfern“ nicht oder kaum verstanden wurde. Da, wo etwas „passt“, ist der Kongolese äußerst fleißig!

Wir von LHL arbeiten mit unseren Partnern, nicht für unsere Partner und zwar auf gleicher Augenhöhe – mit dem Resultat, dass wir uns vor Ort manchmal auch Kritik anhören und dazu lernen müssen. Das wurde z.B. im BMZ (Entwicklungshilfeministerium) nicht verstanden. Man erwartete, dass im Antrag von Anfang an alles perfekt ausgearbeitet ist. Stattdessen kamen wir fast jedes Jahr mit einem Änderungsantrag, weil wir bei der Projektdurchführung etwas dazu lernten. Für Bürokraten ist das ein Gräuel: „Lieber ein schlech­tes Projekt gut abrechnen als ein gutes Projekt nicht so gut abrechnen“ – so scheint in der Ministerialbüro­kratie das Motto zu sein. Fortsetzung im Vorwort unseres Jahresberichtes 2020

Schaffung von nachhaltigem Sekundärwald

Bei den Forstprojekten war uns bald klar, dass die Partner die Mentalität des unerschöpflichen Regenwal­des (Primärwald) hatten - der aber weitgehend verschwunden war. Die Älteren unter unseren Partnern kannten noch die Wälder, die beispielsweise in der Uvira-Hochebene am Rande des Itombwe-Waldes standen. Heute ist alles abgeholzt. Im nahegelegenen Businga-Massiv gelingt uns derzeit die Rückkehr des Bergwaldes dann, wenn die Buschbrandbekämpfung weiterhin funktioniert.

Dort, wo der Bergwald mit Stumpf und Stiel ausgerottet ist, war unsere Aufgabe, die Vermittlung von Wis­sen um den „Sekundärwald“, der heutzutage in Europa fast überall existiert und zwar „nachhaltig“ (ein Be­griff, der aus der Forstwirtschaft stammt). Jahrelang bemühten wir uns im Kongo gegen den „Kahlschlag“ zu kämpfen und Wälder selektiv zu nutzen. Erstes Ziel ist die Nutzung des „reifen“ Holzes. Zweitens die Erhaltung des Waldes an sich. Wie das funktioniert wissen Förster, von denen wir im Kivu aber noch keine haben. Drittens die Nutzung der „Nicht-Holz-Waldprodukte“ (NTFP). Das vierte Ziel ist die Eindämmung der unseligen Buschfeuer, die immer wieder Aufforstungsbemühungen zerstörten. Auch dies ist bisher gelungen. Die Dorfbevölkerungen begannen den Buschbränden nicht mehr „ignorant“ oder resigniert gegenüber zu sein, sondern diese aktiv zu bekämpfen und sahen vor allem, dass sich dies lohnt. Das funktioniert inzwischen, auch dank der jugendlichen Marafiki wa Mazingira (Freunde der Umwelt), hier sehr aktiv mitwirkten.

Die Marafiki wa Mazingira - Hoffnung für die Zukunft der Forstwirtschaft im Südkivu

Heute unterstützen wir vor allem diese Jugendlichen beim Bäume pflanzen und bei der Wissensvermittlung an die Kinder. Dazu gehört Landwirtschaft: der Anbau einer Vielfalt von Gemüsesorten und Kleinviehzucht. Damit können sich inzwischen manche von ihnen ein Taschengeld und manchmal sogar das Schulgeld verdienen. Gleichzeitig wachsen die jungen Leute in eine „Wald-“ und „Forstwirtschaft“ hinein, oder, wie wir in einer Elternversammlung feststellten: Die Kinder wachsen mit den Bäumen heran und übernehmen dann (für die Eltern) die Pflege des Waldes. Das fand reichlich Beifall. Auch so manche Veränderung in den Fa­milien konnte durch die jungen, frisch ausgebildeten Marafiki wa Mazingira veranlasst werden, wie uns die Eltern immer wieder versicherten. Zur Zeit werden mit Unterstützung der Münsterschen Kinderstiftung ungefähr 600 Kinder und Jugendliche in mehr als 20 Gruppen gefördert. 16 junge Gruppenleiter, die nach dem Pfadfinder-Prinzip arbeiten, haben mit LHL-Spendenmitteln kürzlich in Businga mit dem erfahrenen Agronomen Adolphe an einer Weiterbildung teilgenommen. Der Bericht kann auf unserer Internetseite mit zahlreichen Photos gelesen werden: In den nächsten Wochen werden die kleinen Bäumchen ausgepflanzt, die seit Mitte des Jahres ebenfalls mit unserer finanziellen Unterstützung in den Baumschulen heranwachsen. Das sind insbesondere die einheimischen Arten Polyscias fulva und Newtonia buchanani. Sobald wir genügend Unterstützung haben, sollen die jungen Leute zum Thema Forstwirtschaft fortgebildet werden. Ziel ist, den bäuerlichen Familien, die uns in den letzten Jahren bei den Aufforstungen geholfen haben und die auch viele Bäumchen auf ihre privaten Flächen gepflanzt haben, neben ihrer Land- und Viehwirtschaft als drittes Standbein Kenntnisse in Forstwirtschaft zu vermitteln, was über die jungen Leute am einfachsten möglich ist. Für März/April bitten die jugendlichen Gruppenleiter, um eine weitere Fortbildung. Ab Mai/Juni müssen die Baumschulen für die nächste Saison vorbereitet werden.

Weitere Berichte auf unserer Internetseite:

Ostkongo - Die Marafiki wa Mazingira in unserem Forstprogramm

Die Arbeit mit den Marafiki wa Mazingira im Ostkongo

Unsere jugendlichen Marafiki wa Mazingira schützen das Klima durch Bäume pflanzen und forstwirtschaftliche Maßnahmen. Fördern Sie die jugendlichen Umweltschützer! Wir bitten Sie ganz herzlich uns weiterhin für diese Aufgabe zu unterstützen. Neutralisieren Sie Ihre Flugreise durch eine Spende für das Bäume pflanzen im Kongo!

 

*****

 

Investitionen für die Schulkreideproduktion

Vor einem Vierteljahr standen wir vor der Frage: Sollen wir die Schulkreideproduktion einstellen oder sollen wir noch einmal Investitionen tätigen? Wir entschieden uns für ein „Weitermachen“, weil die Probleme nicht durch Mißwirtschaft oder schlechten Geschäftsgang verursacht waren, sondern durch den insgesamt neun Monate Corona-Stillstand im Kongo mit geschlossenen Schulen. So fand kein Schulunterricht statt und somit wurde auch keine Schulkreide benötigt. Da auch kaum Schulgeld eingenommen wurde, konnten die Schulen die alten Rechnungen nicht bezahlen. Immerhin ging zunächst die Produktion weiter, weil wir sehr viel Kreidepulver hatten, aber das kleine Kapital wurde ohne den Umsatz aufgebraucht. Schon im Sommer haben einige von Ihnen freundlicherweise uns eine Unterstützung für diese neuen Investitionen gegeben. Damit konnte neues Kreidepulver bestellt werden. Doch dann wurde ein Wassertank benötigt, da zur Kreideproduktion Wasser benötigt wird, das inzwischen teuer bezahlt werden muss. Jetzt wird das Regenwasser aufgefangen im Tank. Hier ein Bericht: Nach drei Jahren intensivster Nutzung gab das Mofa seinen Geist auf. Die Mitarbeiter sind darauf angewiesen, da die Kartons per Mofa an die Schulen verteilt werden. Schließlich muss jetzt neue Kartonage gekauft werden. Bei einem normalen Betrieb hätte all dies in den letzten zwei Jahren durch den Umsatz und die Einnahmen finanziert werden können. Stattdessen lag die Kreide und das Kreidepulver im Lock down im Lager herum. Also, wir wagen noch einmal einen Neustart der Produktion. Eigentlich müsste danach die kleine Firma aus eigener Kraft den Betrieb fortsetzen und vielleicht schon im nächsten Jahr mit einem kleinen Profit Kinderprojekte ihres Trägers, der Afrikanischen Kinderstiftung, unterstützen können.

Bitte unterstützen Sie uns bei der Finanzierung dieser Investitionskosten.

***

Das Schulgeldprogramm für Waisenkinder und Kinder aus armen Familien

Seit März 2013, also seit fast 9 Jahren, unterstützen wir arme Familien und Waisenkinder durch die Übernahme des Schulgeldes. Schule kostet im Kongo fast überall noch immer Geld. Seit 2013 konnten wir schon für ungefähr 62.000 € Schulgelder für rund 1.000 Kinder finanzieren, die sonst nicht hätten zur Schule gehen können. Die Summen lagen pro Jahr im Durchschnitt zwischen 7 und 8.000 €. Einige von Ihnen haben Schulgeldpatenschaften übernommen und wissen, für welches Kind sie Schulgeld zahlen. Dies beträgt je nach Schule und Region zwischen 25 und 70 Euro pro Schuljahr. Bei einer Schulgeldpatenschaft garantieren wir den Kindern das Schulgeld für das gesamte Schuljahr. Alle anderen Kinder haben diese Garantie nicht, doch glücklicherweise konnten wir in den letzten Jahren durch nicht zweckgebundene Spenden für alle angemeldeten Kinder das Schulgeld übernehmen. Die Waisen- oder Halbwaisenkinder leben meist bei Verwandten. Wir haben auf der LHL-Internetseite einige Kinder, die Schulpaten suchen, in pdf-Dateien beschrieben. Für jene, die ihre Schulzeit beendet haben, nehmen wir neue Kinder auf. Im laufenden Schuljahr sind dies 12 neu aufgenommene Kinder. Wir berichten meist zu Beginn des Schuljahres (im September) den Spendern über die Situation des Schulgeldprojektes.

Wir suchen weitere Schulpateneltern und Unterstützer für dieses Schulgeldprogramm.

***

Schulmöbel für Kamanyola

Für dieses Projekt bekamen wir einen kleinen Zuschuss von Misereor in Aachen. Damit konnte eine Grundschule in Kamanyola, bei der bisher im Rohbau unterrichtet wurde, Fenster und Türen zimmern lassen und vor allem Schul­möbel. Der Zuschuss reichte allerdings nicht, um dies alles wetterfest anzustreichen. Deshalb haben wir uns ent­schlossen, dieser Schule für die Farbe und die Anstricharbeiten noch einen zusätzlichen Zuschuss von 400$ zu bewilligen. Hier der Bericht über das Misereor-Projekt Wenn bei der „Überlebenshilfe“ noch etwas übrig ist, können wir dies finanzieren.

***

Unser schönstes Projekt kostet derzeit 50$ im Monat. Neophyte, einer der Mitarbeiter der Schulkreidefirma, hat Waisenkinder um sich gesammelt, die er ein- oder zweimal im Monat an einem Sonntagnachmittag zum Singen, Spielen, Spaß haben und vor allem zu einem warmen Essen einlädt. Wir bekamen die schönsten Photos von diesen Treffen (siehe Einleitung zu diesem Kongobrief). Sie können weitere Photos in der Facebook-Gruppe Les enfants orphelins/Congo/Sud-Kivu / Uvira anschauen. Dieses kleine Projekt ist ausbaufähig. Eine Spende (aus dem Kongo!) zu Beginn des Schuljahres gestattete Neophyte und seinen Helfern jene Waisenkinder, die zur Schule gehen, mit neuen, im Kongo obligatorischen, Schuluniformen auszustatten. Die Begeisterung der Schulkinder war groß. Wen das Projekt interessiert, nehme bitte mit LHL Kontakt auf.

Wir danken allen ganz herzlich, die uns im Laufe des Jahres hin und wieder oder regelmäßig für diese Überlebenshilfe im Ostkongo fördern. Die Menschen dort benötigen unsere Unterstützung! So bitten wir Sie, in den nächsten Wochen mit einer Gabe an die Vorhaben unserer Partner im Kongo zu denken. Vielen vielen Dank!

Spendenkonto: Lernen Helfen Leben e.V.

IBAN: DE70280641790135875803

BIC: GENODEF1VEC

Volksbank Vechta

Verwendungszweck: Überlebenshilfe Kongo