Kongobrief Ostern 2021

Liebe Freundin, lieber Freund unserer Überlebenshilfe im Kongo!

Als ich das erste mal vor fast 20 Jahren in den Kongo reiste, kam ich in ein Kriegsgebiet: alle paar Kilometer waren Straßensperren, meist mit Kindersoldaten errichtet, die, eine Knarre unter dem Arm, Wegezoll verlangten. Unvergesslich blieb mir, als ich weit draußen auf dem Land einem 10 oder 11 Jährigen mit seiner Kalaschnikow in der Hand eine leergetrunkene PET-Wasserflasche gab - und er begeistert mit dieser „Trophäe“ davonrannte. In den Dörfern waren damals viele Bewohner trauma­tisiert. Frauen, auch Ehefrauen, hatten Vergewaltigungen erlitten. Sie erzählten mir diskret darüber. Bei einigen mussten, so hörte ich, die Ehemänner zuschauen… Neben diesen erschütternden Berichten, prägte sich bei mir die für europäische Augen unglaubliche Armut tief ein, in welcher die meisten Menschen lebten.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich in Deutschland schon 15 Jahre lang mit Kongolesen zusammengearbei­tet. Die meisten waren seinerzeit vom Mobutu-Regime nach Europa geflüchtet. Wir organisierten zum Beispiel viele „Kongotage“. Doch ich sollte nicht Flüchtlingen helfen, sondern ihren Landsleuten in der Heimat. So entstand ein Projekt nach dem anderen und eines Tages beschlossen diese Kongolesen, dass ich auch einmal in ihre Heimat reisen müsste.

Tropische Lebensbedingungen können dort, wo die ländliche Umwelt noch intakt ist, durchaus sehr angenehm sein: das ganze Jahr über Sommer, immer für irgendetwas Saat und Ernte - wenn nur nicht die verfluchten Moskitos wären, die als lichtscheues Gesindel Malaria übertragen. Heute ist die länd­li­che Umwelt und noch weniger die städtische leider meist nicht mehr „intakt“. Dies deswegen, weil die öffentliche Hand fast überall zwar die Hand aufhält und Gebühren verlangt, damit aber nicht Hand an­legt, um die Infrastrukturen zu verbessern, sondern „die Beamten essen das Geld“, wie die Kongole­sen sagen. Dafür versinken in der Regenzeit die meisten Straßen im Schlamm, in der Trockenzeit ist alles staubig. Die meisten Menschen leben in baufälligen Hütten ohne Trinkwasser und elektrischen Strom und Kanalisation ist unbekannt. Wenn für die wenigen, die einen Anschluss haben, überhaupt Strom da ist, dann mal für ein paar Stunden. Seinerzeit hatten wir alle Kerzen im Zimmer und manche Gästehäuser ließen Generatoren laufen. All das hat sich für die meisten Menschen in den letzten 20 Jahren kaum verändert, außer statt Kerzen sind heute Taschenlampen im Gebrauch.

Der Ostkongo gehört zu den ärmsten Regionen der Welt. Deshalb fördern dort eine Vielzahl von Ent­wicklungshilfeorganisationen Projekte. Hilft Entwicklungshilfe wirklich? Bei meinen inzwischen 12 oder 15 Besuchen in der Region habe ich mich immer wieder gefragt, wo sind die tatsächlichen Probleme? Dies ist in früheren Kongobriefen von mir immer wieder angesprochen worden. Entwicklungshelfer, welche die tropische Mentalität nicht verstehen, wollen Afrikanern Europa überstülpen, doch das funktioniert nicht!

Der Krieg, das ist klar, hatte die Bevölkerung massiv geschwächt. In vielen Dörfern wurden zunächst nur noch Bananen und Maniok angebaut – mit entsprechenden Folgen von Mangelernährung. Weil überall mit Holz gekocht wird, waren in der Gebirgsregion weit und breit die Wälder abgeholzt. An den Hängen wurden Maniokfelder angelegt, doch bald kam Erosion und hat nicht nur den Mutterboden weggeschwemmt, sondern weit darüber hinaus ganze Abhänge ins Rutschen gebracht. Besonders verheerend ist Erosion immer wieder in den Vorstädten, etwa von Bukavu: Dort wurden überall an den Hängen Bretterhütten errichtet und immer wieder rutschen nach einem Starkregen einzelne davon in die Tiefe. In Uvira kommt dazu von den hohen Bergen auch noch Steinschlag und hat in den letzten Jahren in einigen Wohnquartieren erhebliche Schäden angerichtet, auch Todesopfer sind zu beklagen. Mit anderen Worten: War einst der Krieg das Hauptproblem, so sind dies heute die Folgen der Umweltprobleme: Abholzung, Erosion, Starkregen, langanhaltende Trockenzeiten… Den Menschen und vor allem vielen Jugendlichen ist dies klar und sie wollen – genau wie „Fridays for Future“ in Europa, etwas dagegen tun. Aber ihnen fehlen die materiellen Möglichkeiten.

In den letzten 25 Jahren konnten wir glücklicherweise eine ganze Reihe von Hilfsprojekten auf den Weg brin­gen. Die meisten hatten folgende Schwerpunkte: Verbesserung der Landwirtschaft durch Fortbildung und Diversifizierung, Pflanzen von Wäldern und Ausbildung der Jugend zu Umweltschützern. Mit einem „Rahmenprogramm“ konnten Buschfeuer eingehegt werden, über Agroforstwirtschaft wurden Obstbäume gepflanzt und Sylvopastoral half Viehzüchtern auf ihren Wiesen Bäume so zu pflanzen, dass ihre Kühe trotzdem weiden können. Der lokale Bereich veränderte sich: Waren vor 20 Jahren Burhinyi, Luhwinja, Kaziba, Mushenyi und Nyangezi weitgehend von kahlen Bergen umgeben, so wachsen heute wieder Wälder. Viele Bauern erwirtschaften einen bescheidenen Wohlstand und die Jugend lernt, was zu einer vielfältigen Landwirtschaft gehört.

Doch noch sehr viel mehr ist nötig zu tun. Die ökologisch geschädigten Landschaften sind riesig im Osten des Kongos. Der noch einigermaßen intakte Regenwald beginnt weiter im Westen und wird dort – im Westen der Provinz Südkivu - auch immer weiter abgeholzt und zu „Makala“ (Holzkohle) verkohlt. Was wir „nachhaltige Waldbewirtschaftung“ nennen ist in den Tropen bisher weitgehend unbekannt. Doch die Konsequenz von Aufforstung ist: Forstwirtschaft – aber die gesamte Region hat keine För­ster, also keine ausgebildeten Leute, welche die Wälder bewirtschaften können und all die viele Ent­wicklungshilfe hat daran bis heute nichts geändert. LHL arbeitet mit hochmotivierten Agronomen zusammen, die mit den Bauern schon viele Bäume gepflanzt haben und sich gerne fortbilden möchten. Dazu kommen Tausende von Kindern und Jugendlichen, die ebenfalls gerne Bäume pflanzen. Wir haben derzeit kein großes Projekt, mit dem wir diese Herausforderungen meistern könnten. Aber wir wollen die „Marafiki wa Mazingira“ (MWM), also die Naturfreundejugend, weiterhin beim Bäume pflanzen unterstützen und dafür bitten wir um ihre Spende.

Mit diesen Jugendlichen lässt sich all das voranbringen für was wir im letzten Jahrzehnt eingestanden sind: Bäume pflanzen, Verbesserungen in der Landwirtschaft und Kleinviehzucht. Dazu lernen sie die Umwelt zu schützen, Buschbrände zu bekämpfen und Spiel und Spaß kommen auch nicht zu kurz. Derzeit bemühen wir uns Partnerschaften zwischen Schülern aus diesem MWM-Kreisen und gleichaltrigen Schülern in Deutschland aufzubauen, was gar nicht so einfach ist, weil die kongolesischen Schüler nicht so leichten Internetzugang haben wie jene in Deutschland.

Weitere Informationen finden Sie auf unseren Internetseiten:

https://l-h-l.de/de/neuigkeiten/die-arbeit-mit-den-marafiki-wa-mazingira-im-ostkongo

https://l-h-l.de/de/neuigkeiten/ostkongo-die-marafiki-wa-mazingira-im-forstprogramm

Falls Sie Freunde über die sozialen Medien über dieses Projekt informieren möchten, so geht das auch über „Betterplace

Spendenkonto: IBAN: DE70280641790135875803 , BIC:   GENODEF1VEC , bei der Volksbank Vechta. Verwendungszweck: Überlebenshilfe